2024 schlägt die Stunde der Wahrheit: Im größten Wahljahr der Geschichte lebt mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Ländern, in denen gewählt wird. Die internationalen Beziehungen dürften angesichts dieser Tatsache große Umbrüche erfahren. Die Bürger:innen der Europäischen Union wählen im Juni, und voraussichtlich im Herbst wird sich die Europäische Kommission neu formieren. Das European Forum Alpbach hat heuer also die besondere Gelegenheit, die politischen Prioritäten der EU für die kommenden fünf Jahre zu diskutieren und dadurch mitzugestalten.
Die wachsende politische und soziale Polarisierung in Europa findet bei diesen Wahlen ihren Niederschlag. Unterschiedlichste Gesellschaftsgruppen beanspruchen die Wahrheit für sich. Desinformation und Versuche der Beeinflussung von außen begleiten viele Wahlen und unterwandern das Vertrauen in unsere demokratischen Institutionen. Die Spannungen werden von anhaltenden Kriegen, hohen Lebenshaltungskosten und Klimakatastrophen verschärft. Diese Polykrise stellt Europas Demokratie und Zusammenhalt auf die Probe. Die Zukunft unseres Kontinents steht auf dem Spiel – 2024 ist die Stunde der Wahrheit gekommen. Wenn Europa es nicht schafft, einig und entschieden zu handeln, droht der Zerfall.
Leben innerhalb der planetaren Grenzen: Unser Ökosystem gibt das ökologische Budget für alle menschlichen Aktivitäten vor. Um die Lebensräume der Erde zu erhalten und zu regenerieren, müssen wir uns von der Vorstellung kontinuierlichen Wirtschaftswachstums lösen und Balance zwischen Mensch, Technologie und Natur herstellen.
Klimaschutz über alle Grenzen hinweg: Klimapolitik muss universell gedacht werden. Klimaschutz wird nur dann in nie dagewesenem Ausmaß geschehen, wenn sich alle Gesellschaftsgruppen dazu aufgerufen fühlen - und die Kosten der Krise gleichmäßig verteilt werden. Ausschlaggebend für das Erreichen der globalen Klimaziele sind der soziale, weltweite Zusammenhalt sowie eine lösungsorientierte und gerechte Klimawende.
Innovationen und Klimawende finanzieren: Unser Übergang zur Klimaneutralität, die Förderung innovativer Unternehmen, die Arbeitsplätze schaffen, und der demographische Wandel können nicht allein von Banken finanziert werden. Die Mobilisierung verschiedener Finanzierungsquellen und die Entwicklung eines starken und vollständig integrierten europäischen Kapitalmarktes sind daher wichtiger denn je, um den Wohlstand in Europa zu sichern.
Ökonomische und soziale Ungleichheit bekämpfen: Um die negativen Effekte von Globalisierung und technologischem Wandel abzufangen, müssen Unternehmen mit Politik und Zivilgesellschaft zusammenarbeiten. Lebenslanges Lernen, berufliche Weiterbildung, eine integrative Sozial- und Arbeitsmarktpolitik sowie verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln werden entscheidend sein, um eine gerechtere Zukunft für alle zu schaffen.
Europäische Souveränität und Sicherheit stärken: Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat verdeutlicht, wie abhängig Europa von den USA im Bereich Sicherheit und Verteidigung und von Russland bei der Energieversorgung ist. Die EU muss diese Abhängigkeiten verringern, ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken und für die eigene Sicherheit Verantwortung übernehmen. Eine geopolitische EU muss außerdem in der Lage sein, in ihrer Nachbarschaft für Sicherheit zu sorgen und Konflikte zu lösen.
Internationale Beziehungen in einer multipolaren Welt: Die internationalen Beziehungen sind zunehmend vom Aufstieg neuer Mächte, wachsendem Konkurrenzkampf und der Schwächung des Multilateralismus geprägt. Zeitgleich wird uns durch Pandemie, Klimakrise und Russlands Angriffskrieg bewusst, wie verwoben die Welt ist. Europa sollte die internationalen Beziehungen im Einklang mit seinen Interessen und Werten aktiv gestalten und dazu beitragen, die multilaterale Zusammenarbeit wieder zu stärken.
Gegen Polarisierung und für sozialen Zusammenhang: Das Konstruieren von Feindbildern innerhalb einer Gesellschaft führt zu deren Zersplitterung. Diese Entwicklung wird verschärft durch wirtschaftliche Missstände, durch Veränderungen sozialer und medialer Räume, wie auch durch Versuche, von Spaltungen zu profitieren. Wir müssen diese Dynamiken erkennen, um ihnen entgegenwirken zu können.
Demokratische Resilienz aufbauen: 2024 wird lautstark nach Repräsentation, Wähler:innenwillen und politischer Verantwortung verlangt. Keine Demokratie ist jedoch gegen anti-demokratische Kräfte immun. Wir müssen unsere Institutionen, Rechtsstaatlichkeit, demokratischen Rechte und Freiheiten schützen sowie das Engagement der Bürger:innen stärken.
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